Kann Deutschland auf die Einspeisevergütung kleiner Solaranlagen verzichten?

Die parlamentarische Sommerpause wurde von der schwarz-roten Koalition genutzt, um energiepolitische Themen zu diskutieren. So äußerte Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche kürzlich in einem Interview mit der „Augsburger Allgemeinen“ Zeitung ihren Wunsch nach einer Abschaffung der Einspeisevergütung für kleine PV-Auf-Dach-Anlagen. Aus ihrer Sicht lohne sich der Eigenverbrauch aus der privaten PV-Anlage bereits zum jetzigen Zeitpunkt überdurchschnittlich. Deshalb sei die Förderung nach dem Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) für die ins Netz eingespeiste Überschussstrommenge abzuschaffen. Einer solchen Abschaffung der Einspeisevergütung für kleine Solaranlagen widersprach die energiepolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion und sah in diesem unabgestimmten Vorstoß von Frau Reiche einen Widerspruch zum Koalitionsvertrag. Auch aus der Solarbranche gab es massive Kritik, da der Vorschlag als überstürzt angesehen wurde und erhebliche negative Konsequenzen mit sich bringen könnte.

Im vorliegenden Blogbeitrag möchten wir uns jedoch nicht mit politischen Auseinandersetzungen befassen, sondern aus energiewirtschaftlicher Sicht die Ursachen und Konsequenzen beleuchten, die eine mögliche Abschaffung der EEG-Einspeisevergütung für Betreiberinnen und Betreiber kleiner PV-Anlagen und die Allgemeinheit hätte. Wir beginnen zunächst mit einer Bestandsanalyse.

Wie sieht die Einspeisevergütung zurzeit aus?

Zurzeit sieht das EEG von 2023 eine gestaffelte Vergütung für ins Netz eingespeisten Solarstrom aus PV-Anlagen vor. Diese Vergütung wird pro eingespeister Kilowattstunde berechnet und ist abhängig von der Größe der Solaranlage bzw. ihrer installierten Leistung. Für eine Leistung bis 10 kWp erhält man als festen Vergütungssatz 7,86 ct./kWh. Für eine Leistung zwischen 10 und 40 kWp werden noch 6,80 ct./kWh gezahlt. Der feste Vergütungssatz gilt für einen Zeitraum von etwas mehr als 20 Jahre. Nach dem Solarspitzengesetz gilt für Neu-Anlagen seit Beginn des Jahres 2025, dass die Einspeisevergütung in Zeiten negativer Strompreise an der Strombörse auf null reduziert wird. Der hierdurch ausgefallene Vergütungszeitraum wird jedoch unter Betrachtung der Volllaststunden an den 20-jährigen Vergütungszeitraum angehangen.

Was würde sich nach Reiches Vorschlag ändern?

Die Bundeswirtschaftsministerin hat nun den Wunsch geäußert, die Einspeisevergütung für kleine PV-Anlagen komplett zu streichen. Dies bedeutet konkret, dass alle PV-Anlagen bis zu einer Leistung von 30 kWp keine Einspeisevergütung mehr erhielten. Das bewirkt, dass der Zustand, der momentan für sämtliche Balkonkraftwerke bis 2 kWp gilt, sich dann auf alle neu installierten Anlagen bis 30 kWp übertragen würde.

Was für Konsequenzen hätte eine solche Änderung?

Beabsichtigte Konsequenz ist die Entlastung des EEG-Kontos und damit des Bundeshaushalts. Die Einspeisevergütung wird zurzeit über die Dauer von 20 Jahren gezahlt und aus dem Bundeshaushalt finanziert. Da nach Reiches Vorschlag für bestehende Anlagen Bestandsschutz gelte, würde das EEG-Konto nur um die neu hinzugekommenen PV-Anlagen mit dem jeweils dann gültigen Vergütungssatz entlastet werden.

Wie groß wäre dieser Entlastungsbetrag?

Für die im Jahr 2024 neu hinzugekommenen Anlagen lässt sich hierfür eine grobe Abschätzung durchführen: Wertet man im Marktstammdatenregister alle Dachanlagen zwischen 2 und 30 kWp aus, unterstellt über Deutschland hinweg einen spezifischen Jahresertrag von 950 kWh/kW(p) und legt den Eigenverbrauch (inklusive Speicher und Auswirkungen des Solarspitzengesetz) auf 80%, so würden kleine Aufdachanlagen im Jahr 2024 insgesamt etwa 5.600.000 kW*950 kWh/kW*0,2, das sind 1,06 GWh, an vergütetem Solarstrom ins Netz eingespeist haben.
Diese 1,06 GWh der im Jahr 2024 neu hinzugekommenen Anlagen würden im Schnitt mit etwa 6,8 ct vergütet. Hieraus ergibt sich eine Förderung pro Jahr für neu in Betrieb genommene kleine Auf-Dach-PV-Anlagen von etwa 72 Mio. €. Bezogen auf die Anzahl von mehr 500.000 Anlagen ergibt das eine Förderung von 123€ pro Anlage und Jahr. Schaut man auf den gesamten Vergütungszeitraum von etwas mehr als 20 Jahren, so würden 1,4 Mrd. € an Einspeisevergütung für pro Jahr neu installierte PV-Auf-Dachanlagen zu veranschlagen sein. Hier ist zu beachten: Wegen der Degression der Einspeisevergütung reduziert sich dieser Milliardenbetrag für jedes weitere Jahr, in dem Neu-Anlagen die EEG-Vergütung in Anspruch nehmen können, um 2%.

Einer Entlastung von 72 Mio. € pro Jahr auf der Vorteilsseite stünden auf der anderen Seite erhebliche Änderungen entgegen. Diese sind unter anderem:

  • Vermutlich Einbruch des PV-Privatsegments ähnlich wie bereits ab 2015 geschehen.
  • Wegfall einer kostenlosen indirekten Finanzierung von Heimspeichern, Elektromobilität und der Wärme- und Mobilitätswende.
  • Negative Auswirkungen auf den Flächenverbrauch und den Netzausbau

Im Folgenden möchten wir kurz auf die beiden letzten Punkte eingehen. Ein Wegfall der EEG-Förderung zum jetzigen Zeitpunkt hätte mit großer Sicherheit eine Reduktion der neu installierten Auf-Dach-PV-Anlagen im privaten Segment zur Folge. Zudem ist gerade im Privatsegment der Einbau einer PV-Anlage häufig mit der sog. Sektorenkopplung verbunden. Das bedeutet, dass eine PV-Anlage mit dem Betrieb eines Stromspeichers, dem Einbau einer Wallbox zum Laden von Elektroautos oder der Umstellung auf eine CO2-freundliche Wärmepumpe einhergeht. All diese letztgenannten Dinge dienen zur Erfüllung der Klimaziele und können zudem zur flexiblen Reduktion der Netzlast in Spitzenzeiten genutzt werden. Diese Sektorenkopplung wurde von den meisten Eigenheimbesitzern eigenständig und größtenteils ohne weitere Förderung durchgeführt. Fallen diese positiven Effekte weg, weil weniger PV-Anlagen gebaut werden, so würden auch die begrüßenswerten Folgeeffekte wegfallen. Für die Nutzung von Stromspeichern und der Elektromobilität müssten somit andere Förderwege gefunden werden.

Auch unabhängig von der Sektorenkopplung hätte eine unmittelbare Streichung der EEG-Vergütung erhebliche, langfristige Auswirkungen auf das deutsche Stromnetz und die für PV benötigten Flächen. Denn streicht man die Einspeisevergütung für kleine Dachanlagen, so wäre die unmittelbare Konsequenz der Bau von PV-Anlagen auf Dächern mit weniger Leistung. Da sich marktwirtschaftlich vor allem auf den Eigenverbrauch optimierte Anlagen rechnen, würden Hausbesitzerinnen und Hausbesitzer etwa nur noch die Hälfte der verfügbaren Dachfläche belegen – statt wie momentan die gesamte Dachfläche. Damit reduziert sich über ganz Deutschland betrachtet die installierte Gesamtleistung von PV-Auf-Dach-Anlagen. Zum Erreichen der Klimaziele müsste somit an anderer Stelle Erneuerbare Energie erzeugt werden. Hierfür liegt die Nutzung von neuen PV-Freiflächenanlagen nahe, deren Zubau über das hierfür vorgesehene Zubauziel hinausgeht. Nutzt man nun statt der ohnehin bereits versiegelten Dachflächen auf Wohnhäusern lieber neue Freiflächen-Areale, so wirkt sich dies negativ auf den landschaftlichen Flächenverbrauch aus. Statt PV auf dem Dach hätte man mehr PV auf der grünen Wiese.

Zusätzlich bewirkt ein erhöhter Zubau von PV-Freiflächenanlagen einen größeren Bedarf an Netzausbau. Denn statt die kurzen Wege von Auf-Dach-PV-Anlagen zu den Stromverbrauchern im darunterliegenden Haus und den Nachbarhäusern nutzen zu können, müssten Freiflächenanlagen den Strom erst bis zu den Häusern transportieren. Diese Transportwege sind deutlich länger und haben damit einen teureren Netzausbau zur Folge.
Mittelbare Auswirkungen eines geringeren Ausbau von PV-Auf-Dach-Anlagen sind also ein höherer Flächenbedarf an anderer Stelle und ein höherer Netzausbaubedarf über ganz Deutschland hinweg.

Fassen wir zusammen

Ein zukünftiger Verzicht auf die Förderung kleiner Dach-Solaranlagen entlastet das EEG-Konto um etwa 123€ pro Anlage und Jahr. Für ein Jahr wären das etwa 72 Mio. €.
Andererseits bewirkt ein solcher Verzicht zum momentanen Zeitpunkt einen drastischen Rückgang der Verkaufszahlen für Dachanlagen und zudem eine Verkleinerung der installierten Dachanlagen. Gerade die Verkleinerung der Anlagen hätte sowohl einen erhöhten Flächenverbrauch für kompensierende Freiflächenanlagen als auch höhere Kosten für notwendigen Ausbau der Stromnetze zur Konsequenz. Zusätzlich würde sich der Förderbedarf lediglich auf andere Erneuerbare Energien verschieben, da zum Erreichen der Klimaziele für 2030 und 2045 eine politische Lenkwirkung ohnehin nötig ist.