Droht ein Blackout durch zu viel Strom?
Eine Einschätzung
Die Erneuerbaren Energien trugen im vergangenen Jahr mit mehr als 60% zur Stromerzeugung in Deutschland bei. Dennoch sind sie immer wieder irrationalen Anfeindungen und Verschwörungshypothesen ausgesetzt. Wurde in der Vergangenheit mit Schlagwörtern wie „Dunkelflaute“ oder „Zappelstrom“ eine Angst vor zu wenig verfügbarem Strom aus Erneuerbaren Energien geschürt, so wurden solche Befürchtungen durch den aktuellen, massiven Ausbau von Batteriespeichern rasch durch die Realität überholt. Statt eine Angst vor zu wenig Strom aus Erneuerbaren Energien zu mehren, wird seit Kurzem der umgekehrte Weg gegangen und versucht, eine Sorge vor zu viel Strom als berechtigt zu erweisen. Genauer wird behauptet, dass zu viel Strom aus Photovoltaik (PV) zu einer temporären Überlastung des Stromnetzes führen würde.
So warnen unterschiedliche Stimmen bei „ungeregelter“ PV-Einspeisung vor einem Blackout der deutschen Stromnetze. Auch die Tagesschau berichtete zuletzt von den Herausforderungen der Stromnetzbetreiber und der möglichen Gefahr einer Überlastung des Netzes
Sollte in diesem Jahr etwa über die Osterfeiertage oder Pfingsten sehr sonniges Wetter sein und – feiertagsbedingt – die Last niedriger als an Arbeitstagen sein, so drohe eine Überlastung des Stromnetzes. Doch was ist tatsächlich dran an der Warnung vor einem Strom-Blackout?
Wir werden am Ende des Artikels sehen, warum durch PV-Anlagen keine reale Gefahr für das Stromnetz oder die Verbraucher besteht. Solche Behauptungen erweisen sich als Panikmache. Doch beginnen wir mit der genaueren Vorstellung des vermeintlichen Problems.
Das deutsche Stromnetz ist zu jedem Zeitpunkt in einem fein austarierten Gleichgewicht zwischen Stromerzeugung und -verbrauch. Prinzipiell lässt sich ein solches Gleichgewicht durch die folgenden vier Faktoren beeinflussen: 1.) Veränderung der Erzeugung. 2.) Veränderung des Verbrauchs. 3.) Strom-Importe oder -Exporte. 4.) Temporäre Zwischenspeicherung in mechanischen oder elektro-chemischen Speichern, wie etwa mittels Pumpspeicherkraftwerken oder Batteriespeichern.
Da die Faktoren drei und vier nicht in beliebigem Umfang und zu jeder Zeit kurzfristig zur Verfügung stehen, konzentrieren wir uns im Folgenden auf die ersten beiden Faktoren.
Zu einem Problem im Stromnetz kann es demnach führen, wenn die momentane Erzeugung deutlich größer ist als der zeitgleiche Verbrauch. Gelingt es für diesen Fall nicht den Verbrauch kurzfristig zu erhöhen oder die Produktion zeitnah zu senken, droht eine Überlastungssituation.
Genau dieser Fall soll das Stromnetz über die langen Feiertage im Frühling oder Sommer vor Probleme stellen. Denn so die Behauptung einer Blackout-Gefahr: Wenn über die Feiertage an Ostermontag bzw. Pfingstmontag der Verbrauch im Stromnetz besonders niedrig ist und gleichzeitig – durch sehr sonniges Wetter – viele Photovoltaik-Anlagen „ungeregelt“ ins Netz einspeisen, so kann eine potentielle Überlastung des Stromnetzes durch zu viel PV-Strom erfolgen. Die Folge einer solchen Überlastung wäre eine kurzfristige Abschaltung einzelner, besonders stark belasteter, regionaler Verteilnetze oder gar eines Abschnitts des großflächigen Übertragungsnetzes.
Fassen wir die Bedingungen für eine vermeintliche Blackout-Gefahr nochmal detailliert zusammen: Ein niedriger Stromverbrauch steht einer hohen Stromerzeugung gegenüber. Zusätzlich muss noch die folgende Bedingung erfüllt sein: Es gibt keine Interventionsmöglichkeit zur kurzfristigen Reduktion der Stromerzeugung bzw. zur spontanen Erhöhung des Verbrauchs.
Die Zusatzbedingung soll gelten, weil zum einen gerade viele PV-Aufdach-Anlagen ohne die Möglichkeit einer externen Abregelung ins allgemeine Stromnetz einspeisen. Zum anderen sollen auch andere kurzfristige Interventionsmöglichkeiten, um auf eine hohe PV-Einspeisung zu reagieren, nicht gegeben sein. Solche Interventionsmöglichkeiten wäre etwa das kurzfristige Abschalten anderer Stromerzeugungskraftwerke, wie Gas- oder Kohlekraftwerke, oder das Anwerfen zusätzlicher Last zur Erhöhung des Stromverbrauchs, wie die Aufnahme des Stromüberschusses in Batteriespeicher, die Erhöhung der Pumpleistung von Pumpkraftwerken oder der Betrieb eines Elektrolyseurs zur Erzeugung von Wasserstoff.
Unabhängig von der Bewertung der obengenannten Bedingungen fragen wir erst einmal grundsätzlicher: Ist es überhaupt möglich, dass ganz Deutschland von einem Blackout durch „ungeregelte PV-Einspeisung“ betroffen ist? Die Antwort hierauf ist eindeutig NEIN. Ein deutschlandweites Blackout-Szenario ist technisch ausgeschlossen. Sollte in einzelnen, kleinen Bereichen eine Störung im Stromnetz aufkommen, so wird dieser Netzabschnitt innerhalb sehr kurzer Zeit vom restlichen Netz getrennt. Eine Weitergabe von regionalen Überlastungen des Stromnetzes auf andere Regionen ist aus diesem Grund ausgeschlossen. Die Warnung vor einem deutschlandweiten Blackout des gesamten Stromnetzes ist deshalb eindeutig übertrieben.
Technisch gilt: Sobald ein kleiner Bereich eines Verteilnetzes überlastet ist, reagiert der Netzbetreiber und entkoppelt diesen Bereich von den übrigen Bereichen seines eigenen Verteilnetzes. Eine „Weitergabe“ eines regionalen Stromausfalls ist deshalb durch vielfältige Vorkehrungen der Netzbetreiber ausgeschlossen.
Wir haben also gesehen, dass die Gefahr eines deutschlandweiten Blackout durch technische Lösungen innerhalb jedes regionalen Verteilnetzes ausgeschlossen ist. Offen bleibt aber noch die Frage, wie groß denn überhaupt die Gefahr für einen regionalen und kurzfristigen Stromausfall durch PV-Anlagen ist.
Schauen wir uns die Wahrscheinlichkeit an, dass an sonnigen Tagen mit geringem Stromverbrauch in Regionen mit hoher Dichte an Photovoltaik-Anlagen tatsächlich eine Netzüberlastung stattfindet. Eine Bewertung der Wahrscheinlichkeit zeigt, dass die Gefahr vor einer solchen Stromüberlastungssituation gänzlich übertrieben ist.
Um dies zu sehen, müssen wir ein wenig in die technischen Aspekte von ans allgemeine Stromnetz angeschlossenen PV-Anlagen einsteigen. Für die Installation und die Inbetriebnahme von PV-Anlagen gibt es nämlich eine Leistungsschwelle, ab der jede PV-Anlage vom örtlichen Netzbetreiber abregelbar sein muss. Diese Schwelle lag bis Ende 2024 bei einer Leistung von 100 kWp und wurde durch das Solarspitzengesetz nochmal deutlich reduziert. Übrigens: Die Abregelung großer PV-Anlagen, welche besonders durch einen ungenügenden Netzausbau hervorgerufen wird, führt mitunter zu hohen wirtschaftlichen Folgekosten und vielfältigen politischen Diskussionen.
Für den vorliegenden Fall bedeutet unser technischer Exkurs nun: Auch wenn eine komplette Abregelung der Photovoltaik-Leistung bisher noch nie notwendig war, so könnte jede PV-Anlage über einer Leistung von 100 kWp in einer Notfallsituation durch den örtlichen Netzbetreiber beliebig heruntergeregelt werden. Für kleinere Anlagen war eine solche externe Regelbarkeit bisher nicht verpflichtend.
Als einen groben Schätzwert zur Beurteilung der Wahrscheinlichkeit in unserem Worst-Case-Szenario können wir uns also die Leistung der PV-Anlagen genauer ansehen, welche weniger als 100 kWp betragen und deshalb in der Regel nicht extern regelbar sind. Eine Auswertung des Marktstammdatenregisters aus dem Frühling 2025 zu Werten bis einschließlich 2024 zu diesen Kriterien ergibt deutschlandweit eine Leistung von 46 GW.
Beachtet man darüber hinaus, dass es sich im Segment der kleineren Anlagen bis 100 kWp vornehmlich um private Anlagen auf Hausdächern handelt, so wird ersichtlich, dass die theoretische, deutschlandweite Leistung von 46 GW nicht zeitgleich ins öffentliche Netz eingespeist werden würde. Eine grobe Überschlagsrechnung mithilfe der Stromerzeugungsdaten der Energy Charts ergibt, dass selbst bei dauerhaftem Sonnenschein weit weniger als 50% der theoretischen PV-Leistung unmittelbar ins Netz eingespeist werden.
Dies bedeutet nun zusammengenommen, dass „nicht regelbare PV-Anlagen“ in Deutschland maximal etwa 23 GW zur Stromproduktion beitragen. Vergleicht man diese Zahl mit anderen mittels Energy Charts bereitgestellter Daten, wie etwa der minimalen Verbrauchslast an langen Feiertagswochenenden und der minimalen Erzeugung konventioneller Kraftwerke, so steht der minimalen Last von ca. 40 GW über Ostern 2024 eine Erzeugung von maximal gedrosselten konventionellen Kraftwerken von etwa 3 GW und einer „nicht abregelbaren“ PV-Leistung von 23 GW gegenüber.
Selbst unter diesem Worst-Case-Szenario ist Deutschland meilenweit von einer Netz-Überlastung durch PV-Anlagen entfernt. Denn die Produktionsseite mit 23 + 2 GW ist immer noch deutlich kleiner als die Verbrauchsseite mit 40 GW.
Die Gründe sind zum einen die flexible und stufenlose Abregelbarkeit für PV-Anlagen über einer Anlagengröße von 100 kWp und zum anderen eine Reduzierbarkeit einer gewissen Leistung konventioneller Kraftwerke. Zudem bestehen ausreichend Vorkehrungen durch die lokalen Verteilnetzbetreiber, um einem Stromausfall entgegenzuwirken.
Eine Gefahr für eine Überlastung des deutschen Stromnetzes besteht nicht. Weder deutschlandweit noch regional. Die Gründe sind technische Sicherheitsvorkehrungen. So gibt es Vorkehrungen innerhalb der Stromnetze, welche einen Blackout über große Regionen ausschließen. Ebenso gibt es Vorkehrungen, um eine Netzüberlastung auf regionaler Ebene auszuschließen. Diese Vorkehrungen betreffen vor allem die Regelbarkeit von großen PV-Anlagen durch örtliche Netzbetreiber. Die derzeitige Möglichkeit einer Abregelung von mittleren und großen Anlagen reicht vollkommen aus, um auch regionale Überlastungen des Stromnetzes zu verhindern.
Übrigens: Damit eine wirkungsvolle Regelbarkeit auch in Zukunft gegeben ist, wurde das sog. Solarspitzengesetz verabschiedet. Dieses schreibt eine Regelbarkeit auch für neu installierte Anlagen mit kleinen Anlagengrößen zwischen 2 und 100 kWp vor.
Sie müssen den Inhalt von reCAPTCHA laden, um das Formular abzuschicken. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten mit Drittanbietern ausgetauscht werden.
Mehr InformationenSie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Facebook. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Mehr Informationen